Mittwoch, 7. Juli 2010

Es gibt so Tage...

... die braucht man nicht. Gestern zum Beispiel. Am Nachmittag stand ein Kinderarztbesuch an, eigentlich nur, weil JM eine Arbeitserlaubnis braucht. Nein, keine Sorge, sie muss noch kein Geld verdienen, weder Zeitungen austragen, noch Lederfussbälle zusammen nähen, aber Auftritte mit ihrem Mädchenchor gelten, wenn sie nicht ausschließlich in den Räumlichkeiten der Chorakademie stattfinden als Arbeit.

Bevor wir aber zum Arzt aufbrechen konnten, rannten wir (mal wieder) durch die komplette Schule - mehrfach - weil JM ihre Brille im Sportbeutel vergessen hatte und wie sich herausstellte, den Sportbeutel wohl auch in der Sporthalle. Diese war natürlich abgeschlossen und weit und breit niemand aufzutreiben, der einen Schlüssel hatte. Tief durchatmen, nur nicht die Nerven verlieren. Fällt mir zugegebener Maßen hin und wieder extrem schwer, da wir mindestens einmal in der Woche durch die komplette Schule laufen und diese Brille suchen. Die Krönung hatte diese Suchaktion für mich in der letzten Woche, als wir ein bisschen Stress hatten, weil es direkt nach der Schule zur Chorfahrt ging und JM ihre Schuhe im Sandkasten ausgezogen hatte, als ich sie abholte, war aber nur noch einer da. Also suchten wir bei gefühlten 45 °C den gesamten Schulhof ab um nach einer halben Stunde festzustellen, dass jemand es offensichtlich sehr lustig fand Mädchenschuhe über den Schulzaun in die Botanik zu schmeißen. Ich muss nicht erwähnen, dass der Schuh am einen Ende vom Zaun lag und man - da er recht hoch ist - den gesamten Schulhof entlang laufen muss um auf die andere Seite zu kommen, oder? Das wie gesagt alles bei entspannten hochsommerlichen Temperaturen und natürlich im schwarzen Businessdress. Egal, wir beschlossen jedenfalls irgendwann, dass die Brille halt in der Turnhalle bleibt und morgen erst wieder aufgesetzt wird. Eine eindringliche Standpauke über den Umgang mit diesem teueren Gestell musste allerdings sein, denn im Tornister befindet sich extra für diese Zwecke ein Etui. Nur nicht aufregen, nur nicht aufregen ist in solchen Fällen mein hilfreiches Mantra.

Der Kinderarztbesuch begann also gleich mit 20 Minuten Verspätung, was ich vorab schon mal telefonisch anmeldete und zum Glück auch kein Problem war. Dann also - wo wir schon mal da waren die U10. Mir reichte die nette Arzthelferin einen Fragebogen, der teilweise doch sehr irritirende Fragen enthielt:

Bei einigen Fragen musste ich schon schlucken, denke ich doch immer, dass solche Fragen nicht in diesem Bogen ständen, wenn sie niemals zuträfen oder nur extrem selten vorkommen würden. Jedenfalls gab es keine Auffälligkeiten und auch sonst war alles normal. Die Arbeitserlaubnis wurde auch anstandslos unterschrieben, also alles gut.
Mein Kind...
  1. hat Migräne
  2. musste wegen Kopfschmerzen zum Arzt
  3. leidet unter asthmatischen Beschwerden / chronischen Bronchitis
  4. will bei jeder "Kleinigkeit" den Arzt aufsuchen
  5. hat manchmal nervöse Zuckungen (z.B. Blinzel-, Zwinker-, Räuspertic)
  6. weigert sich meistens auch tagsüber, bei Freunden/Verwandten zu bleiben
  7. schläft nachts mit im Elternbett, obwohl ich das nicht gern sehe 
  8. kann schlecht einschlafen (d.h. liegt mehr als eine Stunde wach) 
  9. wacht häufig nachts auf und kann nur schlecht wieder einschlafen (liegt mindestens eine Stunde wach) 
  10. stottert
  11. lispelt
  12. hat mindestens 2 x im letzten 1/2 Jahr das Bett oder die Hose nass gemacht
  13. hat im letzten halben Jahr mindestens einmal eingekotet
  14. hat meistens nur wenig Appetit 
  15. ist extrem wählerisch beim Essen
  16. hat ständig Angst. zu dick zu werden
  17. hat wegen seines Essverhaltens mind. 7 kg abgenommen u. ist untergewichtig
  18. hat mindestens 10 kg Übergewicht
  19. wird wegen seines Übergewichts gehänselt 
  20. ist die meiste Zeit aufsässig und ungehorsam 
  21. ist aufsässiger und ungehorsamer als andere Kinder seines Alters 
  22. wurde wegen seines Verhaltens schon einmal vom Schulbesuch, einem Ausflug oder Landheimaufenthalt ausgeschlossen 
  23. schwänzt manchmal die Schule
  24. hat starke Angst davor zur Schule zu gehen 
  25. streitet sich fast jeden Tag mit seinen Geschwistern 
  26. dabei kommt es auch zu ernsthaften Verletzungen, Quälereien oder Drohungen
  27. wird von anderen Kindern häufig geärgert, gehänselt, verprügelt
  28. hat Angst vor anderen Kindern 
  29. hat überhaupt keinen Kontakt zu Gleichaltrigen 
  30. prügelt sich häufig mit anderen Kindern
  31. dabei ist es auch schon mal zu ernsthaften Verletzungen gekommen 
  32. wechselt häufig seine Freunde 
  33. ist in der Schule leicht ablenkbar und unkonzentriert
  34. ist bei den Hausaufgaben sehr leicht ablenkbar und unkonzentriert
  35. ist bei Regelspielen (Karten-/Brettspiele) sehr leicht ablenkbar u. unkonzentriert
  36. ist in der Schule sehr unruhig, zappelig, kann nicht stillsitzen
  37. ist bei den Hausaufgaben sehr unruhig, zappelig, kann nicht stillsitzen
  38. ist bei Regelspielen (Karten-/Brettspiele) sehr unruhig, zappelig, kann nicht stillsitzen
  39. ist im Straßenverkehr sehr unüberlegt, vorschnell, unvorsichtig und riskant in seinem Verhalten
  40. ist draußen beim Spielen sehr unüberlegt, vorschnell, unvorsichtig und riskant in seinem Verhalten
  41. ist beim Lösen von Aufgaben in der Schule oder zu Hause sehr unüberlegt und vorschnell
  42. hat täglich einen Wutanfall 
  43. ist über ängstlich, macht sich viele Sorgen über zukünftige Ereignisse (z.B. Klassenarbeiten, unangenehme Aufgaben), wird dann manchmal vor lauter Aufregung "krank"
  44. Mein Kind hat panische Angst 
  45. vor Spinnen, Mäusen, Hunden oder Ratten
  46. - alleine zuhause zu bleiben
  47. - vor fremden Menschen (z.B. bei einer Einladung)
  48. - vor Blitz, Donner oder Dunkelheit
  49. - vor dem Zahnarzt, Spritzen, Blut oder Verletzungen
  50. ist übertrieben ordentlich
  51. wüscht sich oft die Hände, obwohl sie längst sauber sind
  52. kontrolliert bestimmte Dinge mehrmals hintereinander innerhalb weniger Minuten nach (z.B. dass Türen oder Fenster verschlossen sind, die Schultasche gepackt ist)
  53. kaut oder reißt so stark die Fingernägel, dass es häufiger zu blutenden Verletzungen kommt oder das Nagelbett bereits teilweise frei liegt
  54. weigert sich oft mit fremden Erwachsenen zu sprechen, auch wenn es etwas gefragt wird
  55. ist mindestens einmal pro Woche für mindestens drei Stunden traurig oder niedergeschlagen
  56. diese Stimmung steht meist in keinem Verhältnis zum auslösenden Ereignis
  57. war mindestens 2 Wochen traurig oder niedergeschlagen
  58. ist nur schwer auf andere Gedanken zu bringen, wenn es traurig ist
  59. hat schon einmal ernsthaft gesagt, dass es sich umbringen will 
  60. hat schon gelegentlich geraucht
  61. hat schon hin und wieder Alkohol getrunken 
  62. macht uns Probleme, weil es so oft lügt
  63. hat zuhause oder außerhalb schon einmal etwas Wertvolleres (Wert größer 30 €) gestohlen
  64. hat schon mindestens fünfmal weniger wertvolle Dinge entwendet
  65. hat schon einmal mit Absicht Dinge, die ihm nicht gehören, zerstört/beschädigt
  66. dabei ist ein Schaden von mindestens 30 € entstanden
  67. ist schon von zu Hause weggelaufen
Kaum zuhause machten wir uns nach kurzer Rücksprache mit meinem Hausarzt auf den Weg ins Krankenhaus, denn die "Magenkrämpfe" von denen OJ mir bereits mittags erzählt hatte, waren offensichtlich eher eine akute Blinddarmreizung, zumindest nach telefonischer Ferndiagnose. Krankenhaus heißt in erster Linie warten und ich war extrem glücklich, dass ein Bussi Bär Heft im Warteraum herum lag. Also war JM schon mal ein bisschen beschäftigt. Nach Blutuntersuchung und Ultraschall war die Diagnose halbwegs bestätigt und ein Eingriff sollte noch am gleichen Abend erfolgen. Uns schickte der Arzt um kurz nach neun nach hause und OJ´s größte Sorge galt dem Halfinalspiel heute Abend. Das muss Männerlogik sein.

Also stand heute morgen, nachdem JM in der Schule abgeliefert worden war (mit einem eindringlichen Hinweis darauf, sich sofort um den Verbleib der Brille zu kümmern), ein Besuch im Krankenhaus an - der überaus wortkarge und brummelige zuvorkommende und freundliche Herr am Empfang faselte etwas von Besuchszeiten auf der Intensivstation ab 16 Uhr, aber ich könne es ja mal versuchen, könne aber extrem lange dauern, bis jemand reagieren würde nach dem Klingeln. Also freundlich lächeln, sich artig bedanken und leise vor sich hinfluchend zur Intensivstation gehen. Klingeln. Eine halbe Stunde warten. Dann ein kurzer Besuch mit Kittel und Handdesinfektion bei einen operierten und noch ziemlich unter Drogen stehenden OJ. Eine Verlegung ist im Laufe des Tages auf eine Überwachungsstation geplant, habe ich erfahren. Beim Verlassen des Krankenhauses nicht vergessen dem freundlichen Empfangsmitarbeiter noch einmal mitleidig zuzulächeln, ins Büro fahren und die Schwiegermutter anrufen. Hatte ich gestern Abend schon halbherzig einmal getan als wir wieder zuhause waren, im Wissen, dass sie vermutlich schon schläft, was sich als richtig erwiesen hat. Aber nach dem Tag, hätte ich die Hysterie nicht mehr wirklich ertragen können und es ging schließlich nicht um Leben und Tod. Heute morgen konnte ich damit auch bedeutend besser umgehen. Heute Nachmittag dann also ein weiterer Krankenhausbesuch mit JM - die sich ordentlich Sorgen macht. Kein Wunder gerade hatte die Mommy eine Herzoperation schon liegt Daddy im Krankenhaus mit einer Bauchoperation. Na herzlichen Glückwunsch.

Wie schrieb mir gestern Freundin N.? "Nach dem Regen kommt auch wieder Sonnenschein, manchmal dauert es nur ein bisschen". Dazu fällt mir nur ein: Ein bisschen dauert manchmal ziemlich lange und wenn eh alles schon schlecht läuft, kommt es immer noch dicker. Herzlichen Glückwunsch zu dieser Erkenntnis.

2 Kommentare:

Angelika Diem hat gesagt…

Klingt, als jage ein dicker Brocken den anderen.
Respekt, wie trocken du die schwierigen Stunden beschreibst, die dir viel abverlangen.

Such dir eine Aufladestation, etwas, das dir an Kraft zurückgibt, die du tagtäglich brauchst.

Und gute Besserung allen, die es brauchen.

Liebe Grüße
Angelika

JJ hat gesagt…

Vielen lieben Dank für die netten Worte, das kann ich wirklich gebrauchen!